Rundbrief #02 - September 2023
Als Gemeinde haben wir uns entschlossen, Missionare finanziell zu unterstützen. Ganz konkret geht es um die Familie Soppa, die nach Lilongwe (Malawi) geht.
An dieser Stelle veröffentlichen wir den in unterschiedlichen Abständen erscheinenden Rundbrief der Familie.
Familie Soppa in Malawi
Wir sind da!
vor etwa 8 Wochen sind wir ins Flugzeug gestiegen und über Amsterdam und Nairobi in einem anderen Teil der Welt angekommen. In einem uns bis dahin nur aus Internet und Reiseführer und manchen Erzählungen bekannten Land.
Wie es uns seitdem ergangen ist, davon möchten wir euch in diesem Rundbrief erzählen.
Erst einmal ein herzliches "Danke!" für jede liebe Nachricht in dieser ersten Zeit, für jedes an uns Denken oder Beten, es zeigt uns wie viele hinter uns stehen und tut uns gut!
Wie lebt es sich denn nun so in einer afrikanischen Großstadt?
Wir können damit beginnen, zu versuchen euch ein kleines Stück zu beschreiben wie diese Stadt aussieht, was uns begegnet, wenn wir unser Haus verlassen und Richtung Stadt fahren.
Lilongwe, die Hauptstadt von Malawi, in der wir leben, hat etwa eine Million Einwohner, wirkt aber teilweise fast ländlich, da es erstens keine Hochhäuser gibt und zweitens immer wieder große Flächen mitten in der Stadt wie Felder bebaut werden. Man sieht viele Menschen, die mit Hacken Holz oder den Boden bearbeiten oder auf Bananenplantagen arbeiten. Aber der Verkehr ist dann doch oft wie in einer Großstadt. Wir haben uns erstaunlich schnell an den Linksverkehr und das Fehlen von Ampeln und Straßenschildern gewöhnt. Angeblich werden letztere meist nicht mehr aufgestellt, weil sie nachts geklaut werden und als „Pfanne“ zum Kochen über dem Feuer benutzt werden. Jeder fährt ein bisschen wie es gerade passt, aber dies in einem sehr gemäßigten Tempo und ohne Ungeduld oder gar Aggressivität, wie wir es vielleicht manches Mal aus Deutschland kennen. Es wird häufig gehupt, um Fahrradfahrern, Motorrädern und Fußgängern, die hier im Rang unter dem Auto stehen, zu zeigen, dass sie die Straße frei machen sollen, aber auch dies wirkt entspannt.
Erste Eindrücke
Das Leben spielt sich überhaupt am Straßenrand ab, schon früh am Morgen wird über dem Feuer gekocht, Leute breiten ihre Waren aus, es wird von Obst und Gemüse, über Jogginghosen, Hüte, Wasserfilter, Grills, Badetücher, Schuhe bis zu Hunden, Katzen und Truthähnen alles angeboten und sobald sich der Verkehr staut direkt an die Autos gebracht. Auf unserem Weg zur Schule und Arbeit sehen wir viele Fußgänger, Frauen mit Waren auf dem Kopf und Kindern im Tuch auf dem Rücken, hoch beladene Fahrräder – kaum zu glauben wie viel Holz auf einem Gepäckträger gestapelt werden kann – und Menschen, die Müll sammeln. Am Straßenrand werden außerdem Möbel getischlert oder geschweißt. An vielen Straßen wird gerade gebaut und wir fahren nicht selten über sandige, unebene Pisten – die Straße wird kurioserweise von Tanklastwagen bewässert, damit es nicht so staubt – dennoch ist alles, inklusive uns selbst, immer und überall von einer roten Staubschicht bedeckt.
Als wir hier ankamen, war dies erstmal alles neu und fremd für uns, zugleich waren aber auch manche Dinge genauso wie wir uns Afrika vorgestellt hatten oder von Bildern kannten.
Unsere Ankunft
Unsere Ankunft selbst, besonders die erste Woche, hatte es schon ganz schön in sich. Als wir am Flughafen in Empfang genommen wurden, stellte sich heraus, dass wir nicht in unser neues Zuhause fuhren, dem wir - ehrlich gesagt - schon entgegengefiebert hatten, sondern vorübergehend in ein Gästehaus gebracht wurden, da unser eigentliches Haus erst noch gestrichen und geputzt werden sollte. Dort verbrachten wir dann den ersten Tag ohne Strom und ohne Möglichkeit, unsere Familien zu erreichen. Zugegeben, wir konnten uns bereits am nächsten Tag mit Hilfe eines Malawiers eine Sim-Karte für Malawi besorgen, aber wir sind es halt nicht gewohnt, mehr als ein paar wenige Stunden offline zu sein. 😊 Die erste Woche lebten wir also auf engem Raum mit unseren 12 Koffern und besorgten, immer wenn uns jemand mit einem Auto abholen kam, die nötigsten Möbel und Haushaltsgegenstände für den Anfang. Es ging dann aber doch manches schneller als gedacht und wir konnten unsere neue Bleibe beziehen…
Leben im neuen Alltag
Unser neues Zuhause ist groß und es bedarf (noch) einiges an Geduld, um es tatsächlich zu füllen und gemütlich zu machen, aber es wird... Stück für Stück. Den großen Garten mit seinen vielen Papaya-, Mango-, Bananen-, Orangen- und Zitronenbäumen haben wir schnell lieben gelernt und es wurden schon einige Ballspiele auf der Wiese ausgetragen. Eine Horde Affen besucht uns jeden zweiten Tag - wir fragen uns, wo sie den jeweils anderen Tag verbringen. Das war echt putzig die ersten fünf Tage, dann wurden sie immer frecher und nerviger. Seit zwei Wochen haben wir nun unseren Hund „Manja“ der uns als Wächter vor Affen und anderen ungebetenen Gästen schützen soll.
Der Alltag hatte uns dann schneller wieder als gedacht. Die Schule hat für unsere Kinder nach zwei Wochen an einer internationalen, amerikanisch geprägten Schule, begonnen. Der Start hier war sehr positiv, das Schulgelände ist klein und überschaubar und es herrscht überall ein sehr wertschätzender, respektvoller, sehr disziplinierter Ton mit klaren Regeln, eine ganz gute Mischung. Unsere Kinder haben sich sehr schnell wohlgefühlt. Die Lehrer haben viel Kapazität, sich der Kinder individuell anzunehmen, da die Klassenstärke etwa 10-14 Schüler beträgt mit jeweils zwei Lehrkräften/ Erzieher/Innen.
Mit Stolz haben sie in dieser Woche gesehen, dass neben diversen anderen Landesflaggen nun auch die deutsche vorm Schulgebäude gehisst wurde. Trotz allem fällt das Lernen der englischen Sprache oftmals noch schwer und die Hemmungen sind groß, auf andere zuzugehen. Die Nachmittage sitzen sie oft sehr lang an den Hausaufgaben. Es dauert eben alles etwas länger, wenn man erstmal eine Weile braucht, um zu verstehen, was man eigentlich machen soll. Manchmal ist dann aber doch noch Zeit bei einer befreundeten Familie in den Pool zu springen, dort steht das Spielen im Vordergrund und die Sprache ist zweitrangig.
Michas Alltag
Ich (Micha) habe inzwischen angefangen, als Dozent am Baptist College zu unterrichten. Viele von Euch haben mich im Vorfeld ja gefragt, was ich eigentlich unterrichten würde, und ich habe immer sagen müssen, dass ich es noch nicht wüsste. Ich ging auch davon aus, dass ich erst nach einiger Zeit des „Reinschnupperns“ selbst den ersten Unterricht geben würde. Vor Ort hat sich dann jedoch herausgestellt, dass ich vorgesehen war als der neue Griechischlehrer (es sei denn, ich würde lieber Hebräisch machen, das wäre auch gegangen). Da ich schon immer große Freude an Sprachen hatte, war das kein allzu großer Schock, aber ich bin seitdem damit beschäftigt, meine Griechisch Kenntnisse, die sich seit dem Studium auf einem für den Hausgebrauch tauglichen Level eingependelt hatten, wieder aufzupolieren. Das macht mir total Spaß. Ich erinnere mich noch gut daran, wie unsere Sprachlehrer im Studium uns nicht nur eine neue Sprache beigebracht haben, sondern uns im Unterricht direkt aufzeigen konnten, dass manch spannende Entdeckung in den biblischen Texten zu machen ist, wenn man die Ursprachen beherrscht. Ich freue mich daran, nun selbst diese Liebe für die Sprachen, die in mir dadurch geweckt worden ist, weiterzugeben.
In meinem Kurs sind insgesamt 10 Studierende im dritten Semester. Fünf davon leben auf dem Campus des Baptist College und nehmen im Klassenraum am Unterricht teil. Die anderen fünf studieren berufsbegleitend und werden online mit dem Lehrmaterial versorgt, mit dem sie sich im Selbststudium auseinandersetzen müssen. Sowohl für die Studierenden vor Ort als auch die online Studierenden ist Griechisch eine ganz schöne Herausforderung, weil es deutlich komplexer ist, als Chichewa oder Englisch. Aber sie sind mit Freude dabei und sind motiviert.
Besonders begeistert mich am Baptist College das Curriculum der Lehrveranstaltungen. Ich hatte erwartet, dass die Gestaltung der Kurse inhaltlich einigermaßen ähnlich zu dem sein würde, wie ich es aus dem deutschen Kontext kenne. Tatsächlich sieht es aber ein wenig anders aus. Neben den klassischen Veranstaltungen zu den theologischen Grunddisziplinen finden sich hier Vorlesungen und Seminare über Biologie, Gesundheitswesen oder zur Organisation des Gemeinwesens im dörflichen Alltag. Hintergrund dieser breiten Aufstellung ist der Anspruch des Colleges, nicht nur Pastoren für den Gemeindedienst auszubilden, sondern gleichzeitig Leitungspersonen, die im Rahmen ihrer pastoralen Arbeit das Leben der sie umgebenden Gemeinschaft ganzheitlich im Blick haben. Die zugrundeliegende Vision ist, als Baptist College ein Baustein in der Weiterentwicklung Malawis zu sein.
Natürlich gehört es auch zu einem Dienstanfang, die neuen Kolleg/Innen kennenzulernen. Ich hatte, ehrlich gesagt, erwartet, dass es so etwas wie Kollegiums Sitzungen geben würde, in denen man so etwas tun kann. Das scheint, nach allem, was ich hier bisher erlebt habe, nicht der Fall zu sein. So findet das Kennenlernen in kleinen Gesprächen statt, die sich immer wieder auf dem Flur vor dem Büro, nach einer der täglich stattfindenden Campusandachten oder im Speisesaal beim Mittagessen ergeben (hier erlerne ich gerade das Essen von Maisbrei, Nsima, mit der Hand. Ich bin im Augenblick noch der Einzige im Saal, dem man nach dem Essen ansieht, dass er mit den Fingern gegessen hat. Alle anderen bekommen das reinlicher hin…). Besonders eine Kollegin hat dabei anscheinend den Anspruch, nicht eher zu gehen, als bis sie mir etwas Neues in Chichewa beigebracht hat. Meine der Tageszeit angepassten Begrüßungsformeln sitzen inzwischen ziemlich gut.
Um mich wenigstens etwas zu bewegen (die Fortbewegung hier ist sehr Auto lastig), habe ich mir ein Fahrrad gekauft, um meine Wege zur Arbeit zu radeln. Ein netter Nebeneffekt ist, dass man die ca. 9 km mit dem Fahrrad schneller schafft, als mit dem Auto.
Margrits Alltag
Ich (Margrit) beschäftige mich zurzeit in einem Kurs auch noch intensiv mit dem Englischlernen. Meine Schulbildung war, was das angeht, nicht die Beste und ich habe es in den 20 Jahren dazwischen tatsächlich kaum jemals angewendet. Das beschreibt wie tiefgreifend diese Umstellung auch für mich ist, da ich mich bisher nie, bis auf wenige kurze Urlaube innerhalb Europas, im Ausland aufgehalten habe. Ich versuche so viel wie möglich unter Leute zu kommen und zu sprechen. Ich verbringe jeden Tag etwa zwei Stunden an der Schule um alle Kinder zu verschiedenen Zeiten einzusammeln, da komme ich viel ins Gespräch mit anderen Eltern. Mittlerweile haben wir, so wie hier üblich, unsere Haushaltshilfe Jennifer und unseren Gärtner Fexon, mit denen ich auch täglich Absprachen treffen muss. Ab nächster Woche beginnt für uns zusätzlich ein Sprachkurs in „Chichewa“, der Hauptsprache hier, um die wir nicht drum herumkommen, wenn wir auch näher mit Menschen in Kontakt kommen wollen und die ich auch für die Arbeit in einer Klinik brauchen werde. Darüber hinaus verschaffe ich mir einen Überblick über die Gesundheitseinrichtungen und die tatsächlichen Möglichkeiten hier zu arbeiten. Das ist nun einfacher hier vor Ort, jetzt wo ich eine Vorstellung habe, wie die Entfernungen und Wege sind. In der Krankenstation von der BACOMA (Baptist Convention of Malawi, der malawische Baptistenbund, für den wir hier arbeiten), die etwa zwei Stunden außerhalb von Lilongwe ist, steht demnächst ein Besuch an, auf den ich sehr gespannt bin.
Wir kommen an...
Vieles ist schon geworden in den letzten Wochen und manches Mal sind wir erstaunt, wie schnell man sich an Dinge gewöhnt und sie nicht mehr wahrnimmt, wie zum Beispiel den vielen Müll auf den Straßen oder dass immer irgendwo etwas verbrannt wird und schwarzer Rauch aufsteigt.
Vieles Andere braucht wiederum auch noch viel Geduld und wir müssen uns immer wieder sagen, dass wir noch nicht einmal drei Monate hier sind. Manches Mal fällt uns die Endgültigkeit schwer, unser altes Leben aufgegeben zu haben und nun in diesem ganz anderen zu Kontext zu leben. Familie und Freunde fehlen uns. Schwer fällt uns auch, dass wir das Gefühl haben, in einer ganz eigenen Welt mit Privatschule, vielen Kontakten von dort und tollem Haus mit großem Grundstück zu leben, einer Welt, die kaum etwas mit der eigentlichen Realität um uns herum zu tun hat. Oft sehen wir das „echte Leben“ nur durch die Autoscheibe. Es ist auch schwierig, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, wenn man manches Mal das Gefühl hat, nur als Weißer, also als potenzieller Geldgeber, gesehen zu werden. Gleichzeitig ist vieles davon auch absolut verständlich und für uns als Familie wichtig, unseren eigenen geschützten Rahmen zu haben. Es gibt Orte, da fühlen wir uns sehr fremd und haben das Gefühl, hier nicht hinzugehören – so werden sich tausende Menschen fühlen, die auf einmal in ein fremdes Land (müssen) – unsere Kinder haben sich anfangs teilweise sehr unwohl gefühlt nur unter Schwarzen. Alles braucht Zeit und auch viel Feingefühl.
Wir freuen uns über Momente, in denen wir Land, Menschen und Kultur besser kennenlernen können. Zum Beispiel, wenn Jennifer für uns malawisch kocht und wir gemeinsam essen, oder wenn wir einen 12-jährigen malawischen Jungen beim Wandern auf einen nahegelegenen Berg am Wochenende kennenlernen und auf dem Weg ins Gespräch kommen. Akim (s. Bild oben) zeigte uns vom Gipfel aus, sein Dorf und erzählte stolz, dass sein Bruder jetzt auf eine weitergehende Schule gehen kann, dies bezahle eine ausländische Familie. In solchen Begegnungen haben wir das Gefühl, etwas vom Anderen zu erfahren und etwas mehr auf eine Ebene zu kommen.
Alle Eindrücke und Erlebnisse können wir niemals in diesen Brief packen, wer beim einen oder anderen Punkt mehr wissen will, melde sich gerne bei uns! Wir sind dankbar, dass ihr ein Stück dieses Weges mit uns geht!
Gebetsanliegen
Wir freuen uns über viele ermutigende Nachrichten von Menschen und Gemeinden, die für uns beten. Folgende Anliegen bewegen uns derzeit:
Wir sind dankbar...
- für unser schönes Haus mit Garten
- dass wir uns schon ganz gut in der Stadt zurechtfinden
- für die Freunde, die wir schon gefunden haben
- dass die Kinder sich in der Schule wohlfühlen
- dass Michas Arbeit ihm Spaß macht
Wir bitten darum, dass...
- unsere Kinder weiter gut Fuß fassen, Freunde finden und Englisch lernen
- dass sich das Schulleben besser einspielt und die Kinder mehr Freiräume zur Erholung nach den Schultagen bekommen
- dass sich eine gute Arbeitsmöglichkeit für Margrit findet
- dass wir uns gut in der Kultur einleben und Beziehungen aufbauen können
- dass wir als Familie in allen Herausforderungen gut füreinander da sein können.
Rundbrief #02 - September 2023